Sonntag, 22. Januar 2012

Der Reiz der Anarchie

Die Ausführungen von Mark Lilla über die Tea Party (Revolutionäre Republikaner) veranlassten mich darüber nachzudenken, worin denn der grosse Reiz der Anarchie und des Anarchismus besteht – auf der linken wie auf der rechten Seite des politischen Spektrums.

So versucht Robert Nozick in seinem Standardwerk Anarchy, State, and Utopia den Minimalstaat zu erdenken und zu rechtfertigen. Wie kann man in einer Gesellschaft leben, ohne dass der Staat umverteilt und die Gesellschaft lenken will? Für Europäer hören sich solche Gedanken wie Traumreisen in eine ferne Galaxie an. Politik und staatliche Institutionen sind so eng verwoben mit unserem täglichen Leben, dass wohl niemand sich ein Leben in unserer komplexen Gesellschaft ohne sie vorstellen kann.

Doch die Argumente für ein staatliches Eingreifen sind auf schwachem Grund gebaut. Falls der persönliche Besitz absolut wie das eigene Leben geschützt wären, wäre jede Form von Enteignung als illegitime Gewalt dem Staat unmöglich. Wie würde dann ein Staat aussehen – könnte eine Gesellschaft nur auf Freiwilligkeit basieren?

Nur Freiwilligkeit würde wohl nicht ausreichen, aber Nozick versucht dieser Idee möglichst nahe zu kommen. Und dieser Gedanke treibt eben auch die Tea Party-Anarchisten umher. Sie sind gerade auf der genannten Traumreise Richtung einer ohne staatlichen Zwang lebenden Gesellschaft. Sozusagen die Hippies der rechten Szene.

Die Faszination ist im Mainstream Europas noch nicht angekommen. Zwar bekennen wir uns vollmundig zur Freiheit, aber wir fühlen uns doch wohler, wenn sich die "Empfindung aller recht und billig Denkenden" auch in den Gesetzen widerspiegelt.

Ist es ein Zeichen grosser Abneigung gegen die herrschende Ordnung oder nur eine noch grössere Naivität, wenn man die Gesellschaft mit den wenigsten Regeln als Utopie ausruft?


Anarchy, State, and Utopia

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