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Sonntag, 24. Mai 2015

Baby, never let me go

Zum ersten Mal habe ich es nun geschafft und ein Buch von Kazuo Ishiguro gelesen. Mit "Never let me go" (deutsch: "Alles, was wir geben mussten") hat der englische Autor mit japanischen Eltern scheinbar eine Dystopie geliefert. Doch den Roman als Science Fiction aufzufassen, greift natürlich zu kurz. Eigentlich hat man das Gefühl, einen fein erzählten, tiefgründigen Jugendroman zu lesen. Wenn da nicht die Anspielungen auf die Zukunft der Jugendlichen immer wieder Unsicherheit und Spannung erzeugen würden.

Das Buch würde ich als grosse Parabel über das menschliche Leben verstehen. Grosse Fragen werden in dem Roman auf ganz natürliche Weise aufgeworfen. Warum brauchen wir Erziehung, Kunst und Zivilisation, wenn man durch die Geburt sowieso zum Tod verdammt ist? Was sollen und können wir vom Leben erwarten, was gilt als Lebensglück? Und am Rande: wie kann gesellschaftlicher Fortschritt gegen das Glück des Einzelnen aufgewogen werden?

Wer dagegen eine Diskussion um Organspenden und Klone in der Gesellschaft der Zukunft erwartet, der wird enttäuscht. Denn dazu müssten erst einmal die grossen Fragen beantwortet werden.

Eine Anspielung auf Kritik am technologischen Zeitalter gibt es dann doch noch. Denn der Titel "Never let me go" stammt aus der Szene, in der die Hauptfigur zu einem gleichnamigen Song tanzt. Sie selbst sieht sich als Mutter, die ihr Baby nicht aufgeben will. Eine Beobachterin interpretiert es anders: Ein Kind der neuen, von Technik dominierten Ära, das einer menschlicheren Vergangenheit hinterher trauert. Der Autor erzählt sein Thema über das ganze Buch hinweg sehr subtil, da kommt diese direkte Diskussion des Zivilisationsthemas doch sehr unvermittelt. Und das hätte es eigentlich nicht gebraucht.

Never let me go

Sonntag, 11. März 2012

Probleme und Dilemmata

In unserer von der Aufklärung und der Technologie gezeichneten Zeit erwarten wir, dass wir alle Schwierigkeiten unseres Lebens als "Probleme" definieren können. Probleme kann man lösen. Selbst wenn wir keine Lösung kennen, haben wir die technologisch-inspirierte Hoffnung, dass wir eine Lösung in naher oder ferner Zukunft finden werden.
Ein Dilemma dagegen hat keine Lösung. Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wir haben zwar die Möglichkeit zu wählen, aber keine dieser Möglichkeiten ist eine Lösung. Den modernen Menschen missfällt solch eine Aussicht. Wir sind es gewöhnt, dass sich die Menge unserer Möglichkeiten immer weiter vergrössern und wir Lösungen für alles finden. Ironischerweise scheinen viele Probleme erst durch von Menschen hervorgebrachten "Lösungen" entstanden zu sein.
Die Folgeeffekte von Lösungen waren oft nicht zu überblicken und sorgten für neue Probleme. Die Ölkrise wurde durch grössere Investitionen in die Atomkraft "gelöst". Der Klimawandel ist nicht mehr zu stoppen, nur noch zu erleichtern. Trotzdem behandeln wir ihn als Problem und nicht als Dilemma, das man zu einem grossen Teil nicht lösen kann. Zumindest die naive Technikgläubigkeit, dass wir in einem Paradies aller gelösten Probleme einmal aufwachen können, muss hinterfragt werden. Die zukünftigen Probleme der Gentechnik, die als Lösung für Krankheiten und Ernährungsprobleme propagiert wird, sind jetzt schon erahnbar.
Unsere sozialen Probleme – die Fragmentierung unserer Gesellschaft, die Radikalisierung einzelner Gruppen wie etwa den Islamisten, die grössere Ungleichheit im Materiellen wie in der Bildung, die Überalterung der Bevölkerung – sind hauptsächlich Dilemmata. Wir können sie nicht einfach lösen, ohne negative Auswirkungen anderweitig zu schaffen.
Damit müssen wir uns abfinden. Es ist kein leichtes Leben hier im Irdischen und es ist besser, sich der eigenen Grenzen bewusst zu sein und sich auch Grenzen aufzuerlegen, als mit jeder technisch möglichen Lösung nach vorne zu preschen.
Jedoch benötigen alle Dilemma eine Entscheidung. Nichts zu tun ist auch eine Entscheidung. Eine Situation, in der uns alle Entscheidungsmöglichkeiten nicht gefallen, ist keine Entschuldigung für Tatenlosigkeit. Da so gut wie alle technischen Entscheidungen negative Effekte haben können, ist ein wichtiger Teil unserer heutigen Entscheidungsfindung die Risikoabschätzung. Sie sagt uns, was schlechtes passieren kann und mit welcher Wahrscheinlichkeit. Vielleicht ist es nur eine Illusion, dass wir das tatsächliche Risiko einer Entscheidung finden können. Aber es ist eine nützliche Illusion. Denn ohne solch eine Illusion machen wir uns selbst unmündig: Wir wollen nicht einmal wissen, was wir erfahren könnten.

Montag, 26. Dezember 2011

Das Thailand der Zukunft?

Bangkok ist eine nur durch Dämme und Pumpen gesicherte künstliche Insel, Thailand wehrt sich gegen Angriffe der Gen-Industrie und die Hochhäuser in der Silom- und Sukhumvit-Strasse sind mangels Elektritizität nur noch Elendsviertel: "The Windup Girl" (deutsch: "Biokrieg") von Paolo Bacigalupi malt ein düsteres Zukunftsbild.
Die Überschwemmungen im Herbst 2011 liessen das Szenario einer "Insel Bangkok" erschreckend nah erscheinen: Bangkok leidet unter heftigen Fluten; die Regierung tut überrascht ob der topologischen Erkenntnis, dass Bangkok und Umgebung nur wenige Meter über dem Meeresspiegel liegen. Doch es braucht viel Phanatasie, sich auszumalen, was eine völlige Umschliessung Bangkoks von Wasser heissen würde.
Bacigalupi bringt diese Phantasie auf. In lebendigen Farben beschreibt er eine Dystopie, in der die heute schon sichtbaren Trends des Klimawandels, der Gentechnik und des knapp werdenden Öls die Welt völlig verändern werden. Wir erfahren im Hintergrund der Geschichte, was eine gentechnisch dominierte Natur bedeutet: künstlich veränderte Menschen in Japan als Arbeiter und Geishas gehalten, monopolistische GenTech-Multinationals kämpfen um die Macht über die Nahrung, viele sind durch zufällig aus Genmanipulationen erstandene Seuchen gezeichnet oder gestorben.
Thailand ist in der Geschichte mehr als nur Lokalkolorit. "The Windup Girl" schreibt die heutige thailändische Gesellschaftsstruktur in die Zukunft weiter. Paternalismus, Verehrung des Königshauses und Nationalstolz sind bestimmend für den Roman.
Vielleicht ist nicht alles logisch und bis zum Ende durchdacht, aber die lebendige Schilderung des Lebens nach der "Expansionsphase" - so wird unsere heutige Lebensart genannt - und die spannende Geschichte machen dieses Buch zu einem der besseren Science-Fiction-Geschichten.

The Windup Girl