Samstag, 7. Januar 2012

Brauchen wir Schule?

Wie sollen wir in unserer Gesellschaft lernen? Ist es tatsächlich das beste System, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene jeden Tag mehrere Stunden in staatlich sanktionierten Einrichtungen - meist nur mit geringsten Wahlmöglichkeiten - durch Zwang staatlich vorgegebenes Material eintrichtern zu lassen?

Eines der für mich eindrücklichsten Bücher zum Thema Bildung ist "Deschooling Society" von Ivan Illich. Eine einfache Beobachtung stellt Illich an den Anfang seiner Überlegungen, was Schule eigentlich darstellt:
We have all learned most of what we know outside school. Pupils do most of their learning without, and often despite, their teachers. (...) Everyone learns how to live outside school. We learn to speak, to think, to love, to feel, to curse, to politick, and to work without interference from a teacher.
Die Schule wurde nie als idealer, effizientester Ort zur Wissensweitergabe gegründet. Immer waren es verschiedenste Motivationen, Kinder in die Schule, wie wir sie heute kennen, zu schicken. Schule ist auch ein Aufbewahrungsort für die Kinder und ein Ort, in dem man diszipliniert wird und lernt sich an die gegebene Ordnung des Staates und der Gesellschaft zu halten. In dem Kinder lernen was und wie man zu denken hat. Deswegen nennt Illich auch was in der Schule gemacht wird nicht "lehren" oder "bilden", sondern "schooling". Und er plädiert für ein "deschooling" - nicht nur der Schule, sondern unserer gesamten Gesellschaft.
The pupil is thereby “schooled” to confuse teaching with learning, grade advancement with education, a diploma with competence, and fluency with the ability to say something new. His imagination is “schooled” to accept service in place of value.
Illich erklärt, dass - wie andere Institutionen in unserer Gesellschaft - auch Schule sich immer weiter ausdehnt und Konkurrenz ausschliesst. Andere Formen der Bildung, des Lernens werden versucht zu verdrängen. Bildung, die nicht mit Zertifikaten, Diplomen und Zeugnissen endet, wird diskreditiert und bekämpft. Und auch nicht die Personen mit dem grössten Erfahrungsschatz und Wissen unterrichten Kinder, sondern Lehrer, die die Schule für sich monopolisiert haben.

Warum entscheidet der Staat, was unterrichtet wird? Warum sollen Schulpolitiker und Bildungswissenschaftler am besten wissen, was Kinder für ihre Zukunft brauchen? Und wenn sie es wissen - warum wird es per Zwang verordnet? Warum gibt es keinen offenen Wettbewerb, keine freie Wahlmöglichkeiten, wie und was man lernen will?

Das Schulsystem wird unaufhaltsam zusammenbrechen, prophezeit Illich. Aber er sieht zwei Szenarien, was danach kommen kann: Entweder umschliesst die "progammierte Erziehung" die gesamte Gesellschaft oder die Befreiung der Bildung mit freiem und gleichen Zugang für alle.

Das Internet lässt die Vision Illich eines freien Lernens näher rücken. Ohne Grenzen kann jeder sich das Wissen und die Kontakte suchen, die ihm wichtig sind und die er benötigt. Die Wissbegierde wird dann zum Antreiber der Bildung, nicht der Zwang.


Deschooling Society

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