Sonntag, 30. August 2015

Straw Dogs – Thoughts on Humans and Other Animals

Das waren 200 wahrlich pessimistische Seiten. John Gray führt im Detail aus, warum sich Platon und das Christentum irren, dass der Mensch etwas anderes als ein hoch entwickeltes Tier sein könnte. So sei das menschliche Bewusstsein, sein bewusstes Denken arg überschätzt: "Consciousness counts for less in the scheme of things than we are taught." Sein Bewusstsein wird dem Menschen nicht mehr Glück und Zufriedenheit bringen und das Denken gibt ihm auch kein Mandat, eine endgültige Wahrheit zu finden. "Humans think they are free, conscious beings, when in truth they are deluded animals." Der Mensch sollte seine Hoffnung nicht darauf legen, dass er durch Wahrheit und Fortschritt auch Glück und Zufriedenheit finden wird. Im Gegenteil, je weiter wir uns von unseren tierischen Grundlagen entfernen, desto weniger Mensch werden wir sein. Eine allgemeine Moral ist nur eine Illusion, die in jeder Stresssituation sofort zusammenbricht.

Nach Grey ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Menschheit ihre natürlichen Lebensgrundlagen ausgebeutet haben. Die Zahl der Menschen wird sich schnell wieder verkleinern, ob nun durch Krieg, Naturkatastrophen, Krankheiten oder Hungersnot ist dabei zweitrangig. Es gibt kaum Hoffnung darauf, dass der Mensch die Technologie zur Schaffung eines Paradieses nutzen wird. Das ist nicht in seiner Natur. Der Mensch arbeitet für seinen kurzfristigen Nutzen und nicht für ein langfristiges Ziel. Die Wissenschaft und Technik werden das nicht ändern.
"Science never will used chiefly to pursue truth, or to improve human life. The uses of knowledge will always be as shifting or crooked as humans are themselves", schreibt er.

Technologie kann nach Grey aber sehr wohl dazu führen, dass von Menschen erdachte maschinelle Intelligenz einmal die dominierende Lebensart werden könnte. Das ist vielleicht nicht das schlimmste für den Planeten und an sich nicht zu verurteilen. Schon jetzt sind wir in den Industrieländern in einem Prozess, durch den viele Menschen in der Volkswirtschaft überflüssig werden. Und viele Menschen finden nur noch in einer Industrie der Unterhaltung, der Drogen und des Sex eine Beschäftigung. Das bürgerliche Leben einer Mehrheit ist mit dem Überfluss eines postmodernen, supereffizienten Kapitalismus zu Ende. "In Europe and Japan, bourgeois life lingers on. In Britain and America it has become the stuff of theme parks. The middle class is a luxury capitalism can no longer afford." Straw Dogs: Thoughts on Humans and Other Animals

Sonntag, 24. Mai 2015

Baby, never let me go

Zum ersten Mal habe ich es nun geschafft und ein Buch von Kazuo Ishiguro gelesen. Mit "Never let me go" (deutsch: "Alles, was wir geben mussten") hat der englische Autor mit japanischen Eltern scheinbar eine Dystopie geliefert. Doch den Roman als Science Fiction aufzufassen, greift natürlich zu kurz. Eigentlich hat man das Gefühl, einen fein erzählten, tiefgründigen Jugendroman zu lesen. Wenn da nicht die Anspielungen auf die Zukunft der Jugendlichen immer wieder Unsicherheit und Spannung erzeugen würden.

Das Buch würde ich als grosse Parabel über das menschliche Leben verstehen. Grosse Fragen werden in dem Roman auf ganz natürliche Weise aufgeworfen. Warum brauchen wir Erziehung, Kunst und Zivilisation, wenn man durch die Geburt sowieso zum Tod verdammt ist? Was sollen und können wir vom Leben erwarten, was gilt als Lebensglück? Und am Rande: wie kann gesellschaftlicher Fortschritt gegen das Glück des Einzelnen aufgewogen werden?

Wer dagegen eine Diskussion um Organspenden und Klone in der Gesellschaft der Zukunft erwartet, der wird enttäuscht. Denn dazu müssten erst einmal die grossen Fragen beantwortet werden.

Eine Anspielung auf Kritik am technologischen Zeitalter gibt es dann doch noch. Denn der Titel "Never let me go" stammt aus der Szene, in der die Hauptfigur zu einem gleichnamigen Song tanzt. Sie selbst sieht sich als Mutter, die ihr Baby nicht aufgeben will. Eine Beobachterin interpretiert es anders: Ein Kind der neuen, von Technik dominierten Ära, das einer menschlicheren Vergangenheit hinterher trauert. Der Autor erzählt sein Thema über das ganze Buch hinweg sehr subtil, da kommt diese direkte Diskussion des Zivilisationsthemas doch sehr unvermittelt. Und das hätte es eigentlich nicht gebraucht.

Never let me go